Archiv der Kategorie: Interviews

Interviews

Searching for Sugar Man

Mit Searching for Sugar Man hat Malik Bendjelloul aus der unglaublichen Geschichte des Folk-Sängers Sixto Rodriguez einen wunderbaren Film gemacht.

Sixto Rodriguez war in seiner Heimat ein erfolgloser Folk-Sänger, der 1970/71 zwei Alben aufnahm, um dann in Vergessenheit zu geraten. Um so erfolgreicher war er in Südafrika, wo seine beiden Platten zum Soundtrack einer rebellischen, weißen, jungen Generation wurden.

Neben seinen Texten trug zu seinem Legendenstatus bei, dass es keinerlei Infos über ihn gab. Gerüchte über sein vorzeitiges Ableben gab es viele, nur die Todesart variierte: es blieb unklar, ob er sich nun auf der Bühne erschossen oder angezündet hatte.

Mitte der 1990er Jahre machen sich ein Fan und ein Musikjournalist auf, endlich herauszufinden, wie Rodriguez wirklich gestorben war. Als sich seine Tochter auf der dazu eingerichteten Website meldet, entdecken eine der unglaublichsten Geschichten, die die Musikgeschichte geschrieben hat.

Interviews mit Weggefährten und Fans, dazu ein Soundtrack der aus den Liedern Rodriguez’ besteht — Bendjelloul bringt uns in das Detroit von 1970 und in die Jugendkultur des weißen Südafrikas zur Zeit der Apartheid. Südafrika war durch die Zensur der eigenen Regierung und das Embargo der Welt vom Weltgeschehen abgeschnitten, so dass hier eine alternative Realität der Karriere von Rodriguez entstehen konnten.

Der Film gewann 2012 den Dokumentarfilm-Oskar.

 

Dirty Wars

Richard Rowley folgt in Dirty Wars dem Journalisten Jeremy Scahill bei seiner Recherche zu den sogenannten gezielten Tötungen durch US-amerikanische Geheimdienste und Militärs.

Scahill schildert im Rückblick, wie seine Recherche mit einem Vorfall ein Paar Stunden außerhalb von Kunduz begann und ein bis dahin unvorstellbares Ausmaß dieser Seite des Kriegs aufdeckte.

Die Recherchen sind bereits in Zeitschriften, Zeitungen und als Buch veröffentlicht. Jetzt, etwa vier Jahre nach Beginn seiner Recherche, ist deshalb vieles nicht mehr so überraschend, wie es für ihn war.

Daher wirkte der Film auf mich am Anfang etwas naiv. So stößt er auf eine geheime Spezialeinheit, das Joint Special Operations Command (JSOC). Erst mit den Bildern von der Tötung Bin Ladens wurde mir bewusst, dass mir JSOC auch erst seit Mai 2011 ein Begriff ist.

Der Film erzählt also wenig Neues, und auch die Erzähltechnik ist nicht besonders innovativ. Dennoch bleibt es ein gut gemachter Film, der eine wichtige Geschichte für ein größeres Publikum erzählt.

Sehenswert, aber den Oscar, für den der Film nominiert ist, hat er aus meiner Sicht nicht verdient.

 

Kumaré

Kumaré des US-amerikanischen Regisseurs Vikram Gandhi ist eine humorvolle und zugleich tiefsinnige Auseinandersetzung mit der Rolle spiritueller Führer.

Gandhis Familie stammt aus Indien, und seine insbesondere seine Großmutter war praktizierende Hindu. Während er sich immer weiter von der Religion seiner Familie entfernt, wendet sich die Gesellschaft um ihn genau diesen Lehren zu. Als studierter Theologe wollte Gandhi zunächst einen Film über Gurus machen. Doch das Gefühl, dass es keine echten Gurus gibt, ließ ihn nicht los.

Also entschloss er sich zu einem radikalen Experiment. Er gab vor, ein indischer Guru zu sein. Wenn er das kann, dann sei das der Beweis, dass jeder ein Guru sein kann.

Schnell findet er Menschen, die sich ihm und seinen Lehren anschließen. Er lehrt sie, dass es keine echten Gurus gibt, dass jeder sein eigener Guru sein kann. Komik entsteht daraus, dass er umso mehr als Guru gesehen wird, je offener er seine wahre Identität beschreibt. Seine Kleidung und sein Habitus wirken stärker.

Dabei schafft er es sogar, seinen Anhängern Wege zu einem gelingenderen Leben zu eröffnen. Die Begegnung mit Sri Kumaré verändert das Selbstbild seiner Anhänger.

So entsteht das, was Gandhi in der Einleitung beschreibt: Die Geschichte der größten Lüge, die er erzählte, ist die Geschichte der tiefsten Wahrheit, die er entdeckte.

Der Film regt zum Nachdenken an: Was ist Spiritualität, was ist Glaube? Welche Rolle haben Vorbilder und Lehrer? Dabei ist Gandhi/Kumaré sehr humorvoll und voller Respekt für die Menschen, die mit ihren Sorgen und Nöten zu ihm kommen.

Der Film ist in Deutschland als DVD bei Zweitausendundeins erhältlich und wird bei iTunes und Watchever vertrieben.

Alphabet

Alphabet des ist eine Auseinandersetzung des österreichischen Regisseurs Erwin Wagenhofer mit den Bildungssystemen dieser Welt. Er porträtiert eine Reihe von Menschen, die sich kritisch mit Bildung auseinandersetzen oder besondere Bildungswege gegangen sind.

Obwohl er mit Arno Stern einen Aktivisten für das freie, selbstbestimmte Lernen porträtiert, gibt Wagenhofer keine Antworten. Pablo Pineda Ferrer hat innerhalb des Schulsystems den Lehrer gefunden, der in dem Kind mit Down-Syndrom den künftigen Psychologie-Professor sah.

Die Frage Pineda Ferrers, die auch den Untertitel des Films prägte, ist zwar rhetorisch, wirft aber eben neue Fragen auf: Wollen wir unsere Kinder mit Furcht oder mit Liebe erziehen?

Der Film ist nicht ausgewogen, Wagenhofer will, dass wir die Annahmen hinter unseren Schulsystemen hinterfragen. Aber da er keine vermeintlich einfachen Antworten gibt, ist er dennoch nicht einseitig. Alles in allem gehört er zu den Filmen, an die ich besonders häufig zurückdenke, weil er im positiven Sinne beunruhigend ist.

So hat mich doch erstaunt, wie Andreas Schleicher von der OECD einerseits zum chinesischen System kommentiert, dass man das seinen Kindern nicht wünschen würde, aber andererseits die “objektiven” Erfolge Chinas bei den PISA-Studien würdigt.

Alphabet läuft zur Zeit in vielen deutschen und österreichischen Kinos.